Hallihallo,
ich möchte noch etwas ergänzen. Ich will jetzt nicht so tun, als finde das Thema Angst und Aberglaube im Schamanismus nicht statt. Natürlich gibt es Dämonen und Geister (nicht Ahnen!), die Böse sind und denen man besser nicht begegnet. Und die Menschen, die in ethnischen Kulturen mit der Geistwelt in Kontakt treten, tun dies oft auf eine sehr schmerzhafte Art, indem sie sich selbst Schmerzen zufügen, so nach dem Motto: je größer der ertragene Schmerz, desto wahrer und weiser der Traum, den sie von ihrer Reise mitbringen. Es ist durchaus möglich, über Schmerzen in Trance zu gehen, aber es ist beileibe nicht die einzige Möglichkeit - und in meinen Augen ganz sicher nicht die beste. Sicherlich gibt es noch viele andere Praktiken innerhalb ethnischer Glaubensstrukturen und Weltbilder, die ich mit meinen Traum- und Tranceerfahrungen nicht in Deckung bringen kann und auch nicht möchte. Genau deswegen sehe ich keinen Sinn darin, einen 'authentischen' Schamanismus leben zu wollen.

Und insofern begrüße ich eigentlich den Ansatz, eine neue Art von Schamanismus, einen Neoschamanismus zu finden, der besser in unsere Kultur paßt. Aber ich empfinde die im heutigen Neoschamanismus angebotenen Weltbilder eben leider oft als zu ängstlich, zu religiös, zu abergläubisch und - wenn ich sie mit meinen persönlichen Erfahrungen vergleiche - zu verdreht. Das liegt sicher in der Natur des Menschen, denn der Kontakt mit der Geisterwelt ist und bleibt in moderner Sprache ausgedrückt ein Kontakt mit Schichten der Psyche und des Unbewußten, die im 'normalen' Leben eben unbewußt bleiben. Es ist wenig verwunderlich, daß man dort auch Strukturen und Wesen begegnet, die gefährlich und krankmachend sind, denn jede Kultur, jede Gruppe und jede Familie hat Muster, die vielleicht in einem größeren Kontext durchaus einen Sinn machen, im individuellen Kontext aber ungute Begrenzung und Schaden bedeuten können.
Mein erster intensiver Kontakt mit dem Thema Trance war von asiatischen Weltbildern geprägt, was mir nicht gut bekommen ist. Allerdings hatte ich das große Glück, dem Thema in einem völlig anderen Rahmen wieder zu begegnen, den ich in keiner Weise mit
irgendwelchen religiösen Weltbildern in Verbindung gebracht habe. Das war an der Uni Heidelberg, wo ich zum ersten Mal von Milton Erickson hörte. Darum waren meine Tranceerfahrungen auch völlig unbelastet von vorgefaßten Weltbildern, was mir den immensen Vorteil verschaffte, mich ganz und gar auf meine eigenen Erfahrungen zu verlassen. Erst später bin ich mit der heutigen neoschamanischen Szene in Kontakt gekommen (zum Glück nicht mit dem Core-Schamanismus) und habe zeitweise Weltbilder von Unterwelt, mittlerer Welt und oberer Welt usw. angenommen, empfand sie aber schnell als überflüssig. Was ich damit sagen will: ich halte es für sinnvoll, nicht mit angstbesetzten Weltbildern an das Thema Trance und insbesondere Kontakt zu den Ahnen heranzugehen. Natürlich ist es nicht angeraten, sich gleich in die wildesten Abenteuer zu stürzen. Ein Kind, das gerade gehen lernt, wird das Gehen nicht sofort auf einem Drahtseil üben.
So, jetzt aber genug der langen Vorrede. Ich möchte noch etwas zum eigentlich Thema beitragen. Kontakt zu Toten aufzunehmen, bedeutet erst einmal nichts anderes, als sich auf das einzulassen, was einen anderen Menschen ausgemacht hat. Das kommt einer Begegnung mit einem lebendigen Menschen sehr nahe und ist ersteinmal nicht besonders aufregend. Aber in der Traumwelt geht es sehr oft darum, eine Verbindung aufzunehmen, und das bedeutet natürlich einen tieferen Kontakt, als wenn man irgendjemanden auf der Straße trifft. Ein Kontakt mit Toten, die man noch aus dem Leben kennt, ist nicht viel anders als der, den man noch hatte, als die Person lebte, außer daß man vielleicht seelische Dinge stärker wahrnimmt, auf die man früher vielleicht gar nicht so geachtet hat. Wenn man Kontakt mit den eigenen Ahnen aufnimmt - das beginnt bei den Eltern und geht dann über Großeltern und Urgroßeltern immer mehr in die Vergangenheit - trifft man natürlich auf Menschen, die man nie gekannt hat, von denen aber sicherlich Muster und Wesenszüge in der Familie weitergelebt, verändert und angepaßt wurden. Das kann manchmal schon recht hakelig werden, denn man begegnet Strukturen, die man zwar aus der Familie 'irgendwie' kennt, die aber mitunter aus heutiger Sicht völlig überaltert sind. Man denke da nur als Beispiel an die Perspektive auf Sexualität, die noch vor hundert Jahren völlig anders war als heute. Und ich denke, hier steckt die Schwierigkeit im Kontakt mit den Ahnen. Sie haben anders gelebt und gedacht, es ist sicherlich nicht immer ratsam, sich ihre Lebensmuster gleich anzueignen, sie überzustreifen wie einen alten Pullover, den man mal ausprobiert.

Aber durch die Verbindung zu den Ahnen lernt man natürlich eine Menge über die Strukturen und Weltbilder, in denen man aufgewachsen ist, und begreift so manche Sache, die einem immer Probleme gemacht hat. In meinen Augen lohnt sich die 'Arbeit' mit den Ahnen sehr. Aber sie ist nicht einfach und sie ist nicht mal eben 'hoppladihopp' zu haben. Leider ein Irrtum, dem man in der Esoszene oft begegnet. Viele glauben ja, sie könnten sich mal eben mit ihrem Uropa treffen und von ihm ein paar 'Fähigkeiten' mitnehmen, ohne sich wirklich mit ihm oder mit dem, was man von ihm wahrnimmt, auseinanderzusetzen. Fähigkeiten und Erkenntnisse könne einem sicherlich auch in den Schoß fallen, aber meistens bedarf es doch einiger Anstrengung, um sie wirklich zu erlernen und zu begreifen.
Wenn man vom Kontak mit den Toten spricht, sollte man nicht Praktiken wie Spiritismus, Familienstellen und derlei Dinge außer Acht lassen. Hier wird man zum Medium, läßt das Wesen des Toten in sich ein und kommt mit Lebensmustern in Kontakt, die einem möglicherweise völlig fremd sind. Die Psyche läßt sich leicht beeindrucken von dem, was andere als praktische, logische und richtige Lebensweise leben. Der Wahnsinn eines Menschen kann durchaus ansteckend sein, weil er in einem selbst irgendwo Anklang findet, man unerfahren ist und etwas darin als attraktiv und richtig erkennt. Darum halte ich persönlich nichts davon, mit völlig fremden Toten Kontakt aufzunehmen - vor allem nicht, indem man ihnen als Medium dient und sie invoziert. Wenn man das einmal ausprobiert, ist das sicherlich eine spannende Erfahrung.
Ich habe selbst mal an einer Familienstellung teilgenommen und wurde als ein verstorbener Onkel aufgestellt. Es war unglaublich faszinierend, daß ich mich plötzlich ganz anders gefühlt habe, ich habe mich anders bewegt und anders gesprochen (nein, meine Stimme war nicht plötzlich dunkel und männlich

). Ich war sehr beeindruckt, daß das tatsächlich funktioniert, daß man einen anderen Menschen in sich spürt und ihn durch sich handeln läßt. Und natürlich, ich habe ihn 'gespielt', also habe ich mich mit ihm auch identifiziert. Leider ist der Onkel in dieser Familienstellung nicht besonders nett behandelt worden und irgendwann wurde ich weggeschickt mit den Worten: "Dreh dich ein paarmal um dich selbst, dann bist du wieder du selbst." Haha, sooo einfach war es denn doch nicht. Denn immerhin fühlte ich mich ein bißchen so, als wäre ich der echte verstorbene Onkel. Ich kam mir mies behandelt vor, abgeschoben, mißachtet. Ich war streitlustig und wäre gerne mitten in die Aufstellung reingestürmt und hätte sie alle ausgelacht, beschimpft oder geschubst. Naja, aber nun war es ja nicht so, daß dieses von mir wahrgenommene Wesen wirklich Kontrolle über mich hatte.

Ein paarmal um mich selbst drehen hat nicht gereicht, um dieses fremdartige Gefühl wieder loszuwerden. Aber zu dem Zeitpunkt war ich schon recht magieerfahren. Drum habe ich mich einfach ein bißchen zurückgezogen und mich mit mir selbst beschäftigt, mich mit mir selbst verbunden und ihn aus mir 'hinausgedrängt'. Im Grunde habe ich ihn als einen sehr freundlichen Menschen erlebt. Ich habe versucht, sein von mir wahrgenommenes Problem auf meine Weise zu betrachten und ihm Lösungsansätze zu vermitteln, wie ich sie machen würde...
Ich habe so etwas danach nicht mehr gemacht und will es auch nicht mehr machen. Mir reicht es schon, mich mit meinen eigenen Sorgen, denen meiner Herkunft/meiner Familie und der Familie meines Mannes zu beschäftigen. Mit den Sorgen und Weltbildern anderer lebenden Menschen, mit denen ich hier im Forum oder in Freundschaft in Kontakt komme, setze ich mich natürlich auch auseinander, aber ich rufe oder besuche nicht
ihre Toten, das geht mir dann doch zu weit.
oYo